Geschichtliches zum 1. SC Anhalt (Teil 6)

zusammengetragen von Manfred Hardt

Zunächst soll etwas zum weiblichem Bereich unserer Sektion Schach der BSG Lok Stahlbau berichtet werden. Im Bezirk Halle konnten wir uns im Vergleich zu den Hochburgen Wittenberg und Halle nicht entscheidend in Szene setzen, obwohl mitunter Achtungserfolge gelangen. Einige Jahre betreute unsere Mädchen auch Günter Feßer, ein ehemaliger Friedensschüler. Wer erinnert sich noch an Ilka Jaschinski, Katrin Oltersdorff, Birgit Brietzke, Beate und Bettina Rosin, Katrin Meier, Silke Olberg, Kerstin Häußler, Heike Bareinz, Jutta Pfund, Susanne Ursin, Katrin Graul, Ines Frauendorf und Jenny Richter? 
Alle Spielerinnen besuchten die AG der Friedensschule in der Elballee im Stadtteil Dessau-Ziebigk.
Zur Popularisierung des Schachspieles hatten wir mit großen Figuren auf dem Schulhof dieser Schule, z. B. am 1. Juni, dem Internationalen Kindertag, gespielt. Diese Figuren liehen wir uns vom Pionierhaus aus. Eine Firma im thüringischen Schlotheim stellte diese sehr teuren, aber leicht zerbrechlichen her.

Nun zur Saison 1976/77: Unsere Jungen spielten als Neuling in der Regionalliga der Bezirke Leipzig und Halle. Mit dem Auftakt waren wir zufrieden. Zwar verloren wir gegen MoGoNo (Motor Gohlis Nord) Leipzig I 1,5:4,5. Danach gewannen die Dessauer gegen MoGoNo II 4:2.
Überraschend wurde der Ex-DDR-Meister TSG Wittenberg mit 4,5:1,5 besiegt. Am 1. Brett remisierte Dirk Mirschinka alle Partien. Stephan Bruchmüller (2,5 aus 3), Gerd Aring und Stefan Siewert (2 aus 3) hatten großen Anteil, dass unser Team einen guten Start hatte. Am Saisonende waren wir mit dem 4. Platz als Aufsteiger höchst zufrieden. Vor uns platzierten sich MoGoNo Leipzig I, Pionierhaus Leipzig und Lok Naumburg. Wir verwiesen aber auf die Plätze u. a. Wittenberg und Halle. Die Saalestädter mussten sogarabsteigen.

Im Spieljahr 1976/77 stieg unsere 2. Mannschaft etwas unbeachtet in die Bezirksliga auf. Thomas Bruchmüller erzielte mit 6,5 Punkten aus 7 Partien ein großartiges Ergebnis. Danach spielten in Brettfolge Michael Ebner (5,5 aus 7), Jürgen Kohler (6 aus 7), Volker Winterfeld (3,5 aus 7), Toralf Rensch (5,5 aus 7) und Oliver Mirschinka (5 aus 5).

Exkurs: Mitunter erfährt man auch von einigen, die vor Jahren unsere Stadt verlassen haben, wie ihr weiteres Leben in der Ferne verlief. Toralf Rensch weist eine sehr erfreuliche schachsportliche Entwicklung auf ( z.B. Aufstieg mit der ESU in die 2. Bundesliga). Als Übungs- und Staffelleiter setzte er sich im hohen Maße für das Schach ein. Seit der Gründung erhielt sein neuer Verein SK Dessau 93 durch ihn wertvolle Impulse.
Es war schwer, die Lücke, die er durch seinen beruflich bedingten Umzug nach Weimar (1998) im Dessauer Schach hinterließ, zu schließen. Im April 2001 hat Toralf in Magdeburg auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik promoviert. Heute spielt er trotz großer beruflicher Belastungen bei Vimaria Weimar an einem der vorderen Bretter in der Thüringenliga.
Dagegen hat Oliver Mirschinka dem Dessauer Schach die Treue gehalten. Neben seiner Teilnahme an Wettkämpfen fungiert er auch als Staffelleiter trotz seiner anspruchsvollen beruflichen Verpflichtungen im Landesrechnungshof. Thomas Bruchmüller ist jetzt (2004) wieder in Dessau. Dr. Michael Ebner wohnt in Radebeul bei Dresden. Leider spielt kein Turnierschach mehr.

Nun zurück zum Jahr 1977:
Bei den Einzelmeisterschaften der D-Schüler (7 − 8 Jahre) des Bezirkes Halle in Wittenberg wurde Dirk Winterfeld Meister. In den 7 Runden verlor er keine Partie. Sein Übungsleiter Bernd Schmitz hatte ihn auf diesen Wettkampf gut eingestellt.

Der 20. und 21. November waren Festtage für das Dessauer Schach, den es gastierte der Internationale Großmeister Wolfgang Uhlmann aus Dresden in unserer Stadt. Zunächst berichtete der IGM im Haus des Handwerks in der Willi-Lohmann-Straße − heute steht dort das neue Gerichtsgebäude − über seine Teilnahme am Interzonen-Turnier in Manila. Im Saal demonstrierte er spannende Partien vor ca. 100 interessierten Schachspielern.
Parallel hatte unsere Schülermannschaft in einem der oberen Räume das Regionalliga-Punktspiel gegen das Pionierhaus Leipzig auszutragen. Wir verloren diesen Wettkampf mit 3,5:4,5. Damit revanchierte sich der amtierende DDR-Schülermeister für die Niederlage im Pokalspiel. Auch Dirk Mirschinka verlor am 1. Brett gegen Raj Tischbierek, der später den Großmeistertitel erwarb und nach der politischen Wende der Herausgeber der Zeitschrift "Schach" wurde. IGM Uwe Bönsch meinte, es wäre die wertvollste im deutschsprachigen Raum.
Am Sonntag, dem 21.11. 1976, spielte dann Wolfgang Uhlmann als siebenfacher DDR-Champion an 30 Brettern simultan. Er gewann mit 25:5. Neben Dessauer Spielern nahmen auch Schachfreunde aus Roßlau, Aken, Bernburg und Coswig teil. Jüngster Spieler war mit elf Jahren Detlef Büch von unserer BSG Lok Stahlbau. Er beendete mit als Letzter seine Partie. Unserem Stefan Siewert gelang ein Remis. Seine Partie war aber gewonnen. Dirk Mirschinka versäumte eine Abwicklung mit guten Remischancen und verlor. Erst am 10.1. 1998 gelang Dr. Dirk Mirschinka teilweise eine Revanche. Mit seinem Schachklub USG Chemnitz traf der ehemalige Friedensschüler und Lok-Stahlbau-Spieler beim Punktspiel der 1. Bundesliga auf Wolfgang Uhlmann. Er trotzte dem Großmeister ein Remis ab.
Wolfgang Uhlmann fand gute Übernachtung bei der Familie Büch. Den Abend des 20. 11. verbrachte unser Gast mit einigen Dessauer Schachfreunden im Parkcafé am Stadtpark.

Ich, der Chronist, begann mit dem Turnierschach am 8.11.1955 bei Rotation Dresden. Es war auch bis Anfang der fünfziger Jahre Wolfgang Uhlmanns Verein. Etwas traurig war ich, als er zu meiner Dresdener Zeit bereits beim SC Einheit Dresden spielte. Es entstanden damals in der DDR auch in der nichtolympischen Sportart Schach Clubs, die in der Sonderliga spielten.
Noch zu Dirk Mirschinka: 1981, also viel später, gelang es unserem Spieler, sich überraschend im Dreiviertelfinale der AK 17/18 für das DDR-Finale zu qualifizieren. Zu den neun Finalisten gehörten u.a. Vökler, Kleeschätzky und Volke.
Was macht eigentlich heute der sehr temperamentvolle Stefan Siewert? Als Schüler der 8b der 3. POS in der Schulstraße berichtete er einmal über unsere AG Schach an der Friedensschule. Die Colaflaschen waren damals bei Wettkämpfen stets Stefans treue Begleiter.
Interessant ist, dass Dirk Winterfeld als Bezirksmeister der D-Schüler 1977 "nur" in unserer 3. Schülermannschaft am 5. Brett spielte (5 aus 7). Gern fuhren wir nach Aschersleben, um an den Wettkämpfen um den Lok - Wanderpokal für Nachwuchsmannschaften im Klubhaus der Eisenbahner teilzunehmen. Die rührigen Erhard Wald und Günter Thormann verstanden es immer wieder, große Turniere beispielgebend zu organisieren.
1977 kam unsere junge Mannschaft hinter Aschersleben auf den 2. Platz vor Pokalverteidiger Halle, Naumburg und Erfurt.

Durch das erfolgreiche Abschneiden in der Regionalliga qualifizierte sich unsere Lok Stahlbau/Friedensschule-Vertretung erstmalig für die DDR-Schülermannschafts-Meisterschaften. Zur Vorrunde mussten wir nach Potsdam reisen. Die gastgebende Empor-Vertretung qualifizierte sich als DDR-Vizemeister ohne Niederlage sehr sicher. Die anderen Mannschaften kämpften um den 2. Platz, der auch noch für das Erreichen der Zwischenrunde von Bedeutung war. Unsere Vertretung, die auf Dirk Mirschinka am 1. Brett verzichten musste, erlitt gegen Lok Erfurt eine 2,5:3,5-Niederlage. Die Goethe-Oberschule Staßfurt wurde aber mit 6:0 überfahren. Da die Erfurter gegen Staßfurt überraschend verloren, kamen wir in die Zwischenrunde. Es störte auch nicht unser 2:4 gegen Potsdam. In der "Freiheit" wurde weiter berichtet: "An den Spitzenbrettern warteten Stephan Bruchmüller und Gerd Aring mit verheißungsvollen Leistungen auf (je 2 Punkte aus 3 Partien). Der junge Detlef Büch am 3. Brett kann seine schon recht reife Spielanlage noch nicht immer entsprechend in Resultaten ausdrücken. Der sehr angriffsbetont spielende Stefan Siewert wurde mit 3 Partiegewinnen belohnt."

Ob die Dessauer die Endrunde der 6 Mannschaften, die den DDR-Schülermeister ermitteln, erreichten, wird in der 7. Folge unserer 1. SC-Anhalt-Chronik beantwortet.

M. Hardt

Geschichtliches zum 1. SC Anhalt (Teil 7)

zusammengetragen von Manfred Hardt

Es ist dafür gesorgt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. In der Saison 1976/1977 traf das Sprichwort auch auf uns zu. Wir richteten eine Zwischenrunde der DDR-Schachmeisterschaft der Schüler der AK 13/14 an der Friedensschule aus. Die Teilnahme an der DDR-Endrunde verspielte unsere Mannschaft bereits gegen MoGoNo Leipzig, indem sie hoch mit 0:6 unterlag.
Unsere Mängel in der Eröffnungsbehandlung und beim Verwerten von Partievorteilen wurden schonungslos aufgedeckt, aber zum Schachspiel wie zum Leben gehören Siege und Niederlagen. Niederlagen können oft mehr geben als süße Siege. Man kann auch durch Niederlagen wachsen.
Anschließend gewann unser Team 4,5:1,5 gegen Stahl Riesa. Damit kamen die Des-sauer auf den 7. bis 8. Platz im Republikmaßstab. Potsdam und Leipzig qualifizierten sich für die Endrunde. Unsere Lok-Stahlbau-Mannschaft durfte an der DDR-Pokal-Endrunde teilnehmen.

Nachtrag:
Wieder war Schachprominenz bei uns zu Gast. DDR-Meisterin Petra Feustel und DDR-Nachwuchstrainer Heinz Rätsch besuchten unsere Friedensschule Ende November 1975. An der 1. Simultanveranstaltung nahmen 37 Schüler aus Dessau und Roßlau teil. Birgit Karasek (R), Andreas Möller und Dirk Mirschinka (beide D) konnten ihre Partien gewinnen. Petra remisierte noch mit drei Gegnern. 31 Partien konnte sie für sich entscheiden. In lehrreichen Vorträgen am Demo-Brett gab der Verbands-Nachwuchstrainer Heinz Rätsch den jungen Spielern wertvolle Hinweise für ihre schachsportliche Entwicklung.
Weiter spielte Petra Feustel gegen 8 Gegner gleichzeitig Uhrenpartien. Nur Klaus-Dieter Richter rang der künftigen Internationalen Meisterin und Teilnehmerin am Interzonenturnier ein Remis ab.

Alle Schachveranstaltungen der AG sowie die Betreuung der Schüler bei Wettkämpfen waren mit einem sehr großen organisatorischen Aufwand verbunden. Auch von dieser Stelle soll den Übungsleitern und Betreuern Willi Kaluza, Harald Bartzen, Michael Oswald, Günter Feßer und Friedhelm Frauendorf für ihre große Einsatzbereitschaft noch einmal gedankt werden.
Bernd Schmitz hatte wohl an einer anderen Schule eine AG geleitet!?
Zwischendurch wurden immer wieder die Kreisspartakiaden ausgetragen. So nahmen 1977 an diesem Wettkampf 138 Spieler teil!

Die Schulwertung:

BSG-Wertung:

1. 10. POS (Friedensschule) 96 Punkte

1. Lok Stahlbau 154 Punkte

2. 9. POS 28 Punkte

2. Motor West 35 Punkte

3. 1. POS 25 Punkte

 

Zum Abschluss des Spieljahres 1976/77 nahmen wir also an den DDR-Pionierpokal-Meisterschaften teil. Die Endrunde erreichten wir durch einen 3,5:2,5- Sieg gegen Post Berlin. Dieses Finale fand im Zentralen Pionierlager in Rathsfeld am Kyffhäuser statt. Nach den ersten Runden lagen wir im Spitzenfeld. Danach kam etwas Sand ins Getriebe. Mit dem 8. Platz bestätigte die Mannschaft die bei den DDR-Mannschaftsmeisterschaften gezeigten Leistungen.
Dirk Mirschinka besiegte am 1. Brett in einer glänzenden Partie den DDR-Vizemeister Peter Enders (Lok Naumburg). Peter ist inzwischen Internationaler Großmeister. Auch gegen Karsten Volke, DDR-Meister der B-Schüler, gewann Dirk. Karsten erwarb später den Titel eines Internationalen Meisters.
Ein großes Handicap hatte unsere Mannschaft zu tragen: Stephan Bruchmüller, der am 2. Brett spielte, musste krankheitsbedingt aus dem Turnier ausscheiden. Weiter spielten in der Mannschaft Gerd Aring, Detlef Büch, Michael Frisch und Stefan Siewert. Durch den Ausfall von Stephan nutzten Jürgen Kohler und Thomas Bruchmüller, Stephans Bruder, als Ersatzspieler die Chancen und erhielten in der Mannschaft Stammplätze.
Dieser doch recht achtbare 8. Platz bei den DDR-Pokalmeisterschaften war gleichzeitig das Abschiedsgeschenk der AG Schach an die Friedensschule. Die AG zog nach über fünf Jahren zur neu eröffneten auch an der Elballee liegenden 24. POS um. Wichtig für die künftige umfangreiche Teilnahme an den Wettkämpfen war aber, dass wir auch weiterhin der rührigen BSG Lok Stahlbau angehörten.

Der Hauptgrund des Umzuges der AG Schach von der Friedensschule (10. POS) zur 24. POS (später 24. OS) war meine Versetzung zu dieser neuen Schule. Damit wird der erste Ordner, der die Geschichte unseres 1. SC Anhalt enthält, geschlossen. Der nächste Ordner ist mit noch mehr Material gefüllt. In ihm wird die weitere Entwicklung der AG Schach sowie der Sektion Schach der BSG Lok Stahlbau über einen Zeitraum von 13 Jahren bis 1990 dargestellt.

Die 8. Folge beginnt mit dem Bericht über das Spieljahr 1977/78.